»Psychotherapie spart mehr, als sie kostet«
Kiel, 04.09.2012
Jahrzehntelange politische, juristische und fachliche Vorarbeit ist nötig, um in Deutschland eine Berufskammer als selbstverwaltete Körperschaft des öffentlichen Rechts zu gründen. Als die Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein am 31.08.2012 in Kiel ihr zehnjähriges Bestehen feierte, erinnerte Kammerpräsidentin Juliane Dürkop an den »langen Atem«, der notwendig war, bis Psychotherapeuten »auf gleicher Augenhöhe mit den Ärzten« standen. Die Anstrengung hat sich für alle Seiten gelohnt: »Psychotherapie spart mehr, als sie kostet«, betonte Dürkop. |
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Das Psychotherapeutengesetz des Bundes sorgte 1999 dafür, dass Psychotherapie nur noch von Diplom-Psychologen mit mindestens dreijähriger Zusatzausbildung (und von entsprechenden Fachärzten) ausgeübt werden durfte. Ein neuer gesetzlich geschützter Heilberuf mit einem kompletten Studium als Voraussetzung war geschaffen. Und für die Einhaltung ethischer Berufsregeln, die Sicherstellung regelmäßiger Fortbildung und die Vertretung des Berufs nach außen war eine Kammer die geeignete Organisationsform. Der von der damaligen Sozialministerin Heide Moser 2002 berufene Errichtungsausschuss vollzog die Kammergründung.
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Kammerpräsidentin |
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Nicht überall stieß die Psychotherapeutenkammer sofort auf Gegenliebe; auch nicht bei allen Psychotherapeuten, die nun zur Mitgliedschaft verpflichtet waren. »Selbstverwaltung ist nun mal ein Privileg und gleichzeitig eine Verantwortung«, sagte die Kammerpräsidentin hierzu. Gelungen sei im Krankenversicherungsbereich die Gleichstellung mit den Ärzten – Psychotherapie ist heute Kassenleistung. Immer noch unbefriedigend sei die Psychotherapieversorgung auf dem Lande und die Einkommenssituation von Diplom-Psychologen während der mindestens dreijährigen Ausbildung zum Psychotherapeuten, die aus eigener Tasche bezahlt werden muss.
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17 Prozent aller Arbeitsunfähigkeitstage entfielen auf psychische Störungen, erklärte Anette Langner, Staatssekretärin im Sozialministerium. Die Kammer habe viel dafür getan, dass über diese Problematik heute offen gesprochen werde. Langner kündigte für die Landesregierung an, die ambulante Versorgung mit Psychotherapeuten zu verbessern. Dafür müsse der Bund längst unbrauchbar gewordene Planungszahlen aktualisieren. Auch der steigende Behandlungsbedarf älterer Menschen müsse besser berücksichtigt werden.
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Staatssekretärin |
Die früheren Vorbehalte der Ärzte gegen Konkurrenz durch Psychotherapeuten seien in Schleswig-Holstein abgebaut, sagte Ärztekammerpräsident Dr. Franz-Joseph Bartmann. Heute planten beide Berufe gemeinsam mit Zahnärzten und Apothekern ein regionales Versorgungskonzept für Schleswig-Holstein: »Medizinische Leistungen soll der erbringen, der das vor Ort jeweils am besten kann – Besitzstandswahrung haben wir dabei nicht im Auge.«
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Ärztekammerpräsident
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Bundesweit fehlten 4000 Psychotherapeuten mit Kassenzulassung. Erst mit dieser Zahl, so sagte der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, Prof. Dr. Rainer Richter (Hamburg), bei der Jubiläumsveranstaltung, werde die Versorgung auf dem Lande so gut wie in mittelgroßen Städten. Freiwillig würden die Krankenkassen dabei nicht mitziehen, hier sei eine Gesetzesänderung durch den Bundestag nötig.
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Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer
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Mit einer breiter angelegten theoretischen Basis im Grundstudium der Psychologie könne einem Auseinanderdriften unterschiedlicher psychotherapeutischer Richtungen entgegengewirkt werden, sagte die international anerkannte Psychotherapeutin Prof. Dr. Eva Jaeggi (Berlin). Jede Fachrichtung müsse die eigenen Ansätze ständig wissenschaftlich hinterfragen, keine Idee dürfe unkritisch übernommen oder abgelehnt werden, denn »Psychotherapie ist eine Profession, keine Konfession«.
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Prof. Dr. Eva Jaeggi |
Hier finden Sie die Festansprache von Frau Dürkop auf der Veranstaltung am 31.08.2012: