Heilberufe setzen auf Qualität statt Discount
Kiel, 03.10.2008: Die Ökonomisierung des Gesundheitswesens hat als Thema des Schleswig-Holsteinischen Heilberufetages hohe Resonanz erfahren. Neben fast 200 Ärzten, Apothekern, Psychotherapeuten und Zahnärzten, die am 01. Oktober 2008 zur Abendveranstaltung nach Kiel gekommen waren, interessierten sich auch Politiker und Medien für die Probleme der Heilberufe.
„Konzerne kaufen Praxen auf“, hieß die Schlagzeile in den Kieler Nachrichten, „Heuschrecken greifen nach Arztpraxen“ beim Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag. Auch viele andere Medien aus dem Land und Fachzeitungen berichteten über den Heilberufetag. Er fand aber auch in der Politik Gehör. Staatssekretär Dr. Hellmut Körner sowie Ursula Sassen (gesundheitspolitische Sprecherin der CDU), Jutta Schümann (gesundheitspolitische Sprecherin der SPD), Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) und Angelika Birk (Die Grünen) waren zum Heilberufetag gekommen, um sich über das in der Öffentlichkeit bislang kaum beachtete Thema zu informieren.
Auditorium im gut gefüllten Saal Marco-Polo des Kieler |
Expertenpodium v.l.: Dr. Froese, J. Dürkop, Dr. Kriett, R. Quentin, |
Hans-Peter Küchenmeister, Präsident der Zahnärztekammer und amtierende IDH-Sprecher, konnte bei der Problematik auf die Unterstützung aller IDH-Institutionen setzen – denn alle sind betroffen. Auch die Psychotherapeuten, wie Juliane Dürkop, Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein, in der Pressekonferenz und in der Abendveranstaltung deutlich machte. Sie warnte davor, Patienten in die Rolle von Konsumenten zu drängen. „Hier wird ein auf Hilfe angewiesener, in der Regel kranker Mensch, vom Patienten zum Konsumenten, der in seiner psychischen Not souveräne Entscheidungen treffen soll“, gab die Präsidentin zu bedenken. Sie befürchtet, dass bei einer „Vermarktung der Heilberufe“ die tragenden ethischen Positionen der Heilberufe für diese zu einem Wettbewerbsnachteil werden. Den Patienten sieht sie in dieser Situation überfordert. „Mehr noch als die Arzt-Patienten-Beziehung muss die Beziehung des Patienten zu seiner Psychotherapeutin notwendig auf Vertrauen basieren“, sagte Dürkop. Sie warnte davor, dass die psychotherapeutische Versorgung als Folge einer zunehmenden Zentrierung in der Fläche ausgedünnt werden könnte.
Ähnliche Sorgen haben die Ärzte. Dr. Ingeborg Kreuz , kommissarische Vorsitzende der KV Schleswig-Holstein, berichtete zusammen mit Ärztekammer-Präsident Dr. Franz-Joseph Bartmann von einer zunehmenden Unsicherheit unter Praxisinhabern, weil Klinikkonzerne sich immer stärker an Kassenarztzulassungen interessiert zeigen. Deren Interesse ist klar: Mit Hilfe der Zulassungen werden die klinikeigenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) ausgebaut. Patienten, die dort ambulant behandelt werden, werden in aller Regel nicht in andere, sondern in die Klinik des MVZ-Trägers eingewiesen. Für die niedergelassenen Ärzte bringt das mehrere Probleme mit sich. Zum einen wird die Versorgung zentriert und aus der Fläche abgezogen. Zum anderen kommen niederlassungswillige junge Ärzte kaum noch zum Zuge, weil die Kliniken mehr Geld für die Zulassungen bieten. „Die Versorgungszentren dürfen nicht dazu führen, dass die flächendeckende Versorgung ausgetrocknet wird“, warnte Kreuz.
Präsidentin Juliane Dürkop in der Diskussion |
Referent Prof. Dr. Eberhard Wille |
Die Apotheker führten als Beispiel aus ihrer Branche die Arzneimittelgroßhändler an, die zugleich Medikamente produzieren oder einkaufen und konzerneigene Apothekenketten gründen wollen, um dort bevorzugt ihr eigenes Sortiment zu vertreiben. „Der Apotheker wird damit zum abhängigen Verkäufer und kann nicht mehr neutral beraten“, warnten sie. Damit zeigten die Heilberufe Probleme auf, die nicht gerade zur Motivation des Nachwuchses beitragen.
In der abendlichen Expertenrunde belegte Moderator Robert Quentin, dass die Stimmung unter den Heilberufen ohnehin schlecht ist. Quentin hatte die aktuellen Zahlen aus dem Medizinklimaindex mitgebracht. Danach ist die Stimmung unter den niedergelassenen Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten deutlich schlechter als in den meisten anderen Branchen. Allerdings warnte Gastredner Professor Eberhard Wille davor, die Ökonomie als „Schreckgespenst“ aufzufassen. Der Vorsitzende des Sachverständigenrates für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen beim Bundesgesundheitsministerium machte klar, dass Ökonomie aus dem Gesundheitswesen nicht wegzudenken ist. Auch die niedergelassenen Heilberufe, so Wille, verhielten sich schließlich als „Einkommensmaximierer unter ethischen Nebenbedingungen“ – und das sei auch legitim. Nicht der Wettbewerb an sich, sondern die Bedingungen, unter denen er geführt wird, seien entscheidend. Und da sieht Wille bislang keine gleichlangen Spieße etwa zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten.
„Diese Botschaften sind auch in der Politik und in der Öffentlichkeit angekommen. Das ist uns gelungen, weil die Körperschaften der Heilberufe geschlossen, sachlich und professionell agiert haben“, lobte Küchenmeister die Zusammenarbeit der immerhin sieben beteiligten Institutionen.
Dirk Schnack, freier Journalist
gemeinsame Pressemitteilung 1. Heilberufetag 17.09 Kb
Statement PKSH zum 1. Heilberufetag 68.38 Kb