Psychotherapeuten im Visier verdeckter Ermittler

Kiel, 17. September 2007 - Die Bundesregierung plant, intime Gespräche zwischen Psychotherapeuten und Patienten abzuhören. "Das geplante Gesetz greift unverhältnismäßig und in unzumutbarer Weise in den Kernbereich der privaten Lebensführung ein", so Dipl.-Psych. Juliane Dürkop, neugewählte Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein (PKSH). "Das heimliche Mithören psychotherapeutischer Gespräche gefährdet den Erfolg unserer Behandlung."

Nach dem neuen Gesetzentwurf zur Telekommunikationsüberwachung (BT-Drs. 16/5846) sollen auch in psychotherapeutischen Praxen verdeckte Ermittlungen möglich werden. Zum Gesetzentwurf findet am 19. und 21. September im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eine Anhörung statt. Die PKSH fordert ein absolutes Verbot verdeckter Ermittlungen in psychotherapeutischen Praxen. Die Arbeit von Psychotherapeuten sei grundsätzlich genauso vor verdeckten Ermittlungen zu schützen wie die Arbeit von Seelsorgern, Verteidigern und Abgeordneten, deren Gespräche auch in Zukunft nicht abgehört werden dürfen.

Die Gespräche zwischen Psychotherapeut und Patient gehören zum Kernbereich privater Lebensführung, der nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch bei der Verfolgung von schweren Straftaten geschützt werden muss. Dieser Kernbereich umfasst die Kommunikation mit einer Vertrauensperson, beispielsweise über innerste Gefühle, Überlegungen, Ansichten oder Erlebnisse höchstpersönlicher Art. Das Bundesverfassungsgericht zählte dazu grundsätzlich Gespräche mit Verteidigern und im Einzelfall Gespräche mit Ärzten. Ein Gespräch über eine Erkältung ist danach nicht absolut schutzwürdig, ein psychiatrisches Therapiegespräch allerdings sehr wohl. Psychotherapeutische Gespräche gehören damit grundsätzlich zum Kernbereich der privaten Lebensführung.

Die PKSH hält ein absolutes Verbot von telekommunikativer Überwachung psychotherapeutischer Praxen für unbedingt erforderlich. Patienten besprechen die von ihnen selbst als unangemessen oder krank erlebten Gefühle, Gedanken oder Verhaltensweisen mit ihrem Psychotherapeuten. Die Offenbarung intimster Gedanken ist die notwendige Voraussetzung einer erfolgreichen Psychotherapie. Im Interesse der Patienten verpflichtet die Berufsordnung Psychotherapeuten, Patienten zu informieren, wenn die Schweigepflicht aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift eingeschränkt ist. "Wenn Patienten befürchten müssen, dass ihre Äußerungen in verdeckten Ermittlungen abgehört werden, kann das für eine Psychotherapie erforderliche Vertrauensverhältnis nicht aufgebaut werden", unterstreicht Juliane Dürkop das besondere Schutzbedürfnis des psychotherapeutischen Prozesses. " Viele Patienten werden dann aus Angst vor einer Stigmatisierung eine erforderliche Behandlung gar nicht erst beginnen."